Am 7. Juli 2023 veranstaltete der Heimat- und Geschichtsverein Finthen sein alljährliches Sommerevent. Diesmal mit dem Thema „Landwirtschaft in Finthen – gestern und heute“, ein Thema, das großes Interesse hervorrief, war der Raum doch bis auf den letzten Platz besetzt.

Der Kriminaltango, interpretiert von der Sängervereinigung unter der Leitung von Fritz Brändle, bildete den musikalischen Auftakt.

Der erste Vorsitzende Benno Kraft bedankte sich anschließend in seiner Begrüßungsansprache herzlich bei den Sängerinnen und Sängern für ihre Verbundenheit zu unserem Verein und die großartige Unterstützung durch ihre erste Vorsitzende Monika Schnell.

Und schon machte sich ein leichtes Gewusel bemerkbar, kamen doch acht entzückende kleine „Bäuerinnen und Bauern“ zur Tür herein – die Vorschulkinder aus der Musikschule Klimperkiste von Michael Geyer.

So wurden die bekannten Volkslieder „Im Märzen der Bauer“ und „Es klappert die Mühle am rauschenden Bach“ nicht nur von den Kindern gesungen, sondern auch pantomimisch dargestellt. Es war überwältigend zu sehen, wie eifrig die Kinder bei der Sache waren, motiviert durch ihre Lehrerin Alexandra Gießler, die mit ihrer ausdrucksstarken Stimme den „Ton vorgab“. Die fruchtigen Danke-Tüten des Bauernvereins hatten sich die Kleinen redlich verdient.

Dann wurde es ernst, wie die zweite Vorsitzende und Moderatorin des Abends, Agnes Wintrich, erklärte. Bevor über Landwirtschaft in Finthen gesprochen werden kann, muss erst geklärt werden, wie der Landbesitz der Bauern seinen Anfang nahm.

Und da muss zurückgeblickt werden, bis ins Jahr 1092, zur ersten urkundlichen Erwähnung von „Fundene“. Zu diesem Zeitpunkt schenkte der Mainzer Erzbischof seinem Domherrn verschiedene Besitzungen in Finthen. Die Liegenschaften gehörten also der Kirche, nur wenige Bauern hatten eigene Ländereien.

Wie sich die Situation der Bauern bis in die 1950er Jahre änderte, erläuterte Agnes Wintrich anhand einer Power-Point-Präsentation. Etwa 900 Jahre müssen überbrückt werden und das bedeutet im „Schweinsgalopp durch die Geschichte“ – so ihre Worte. Das gelang ihr hervorragend. Die Änderungen der Eigentumsverhältnisse in der napoleonischen Zeit, die zunehmende Bedeutung des Schulbesuchs sowie der technische Fortschritt wurden thematisiert. Es blieb sogar Zeit, um auf das Wahrzeichen von Finthen – den Finther Gickel - einzugehen.

Am Beispiel des Bauernhofes von Peter Anton Wald (1854 – 1924), dem Großvater von Prof. Dr. med. Benno König, zeigte Agnes Wintrich die Veränderungen der landwirtschaftlichen Betriebe auf. Der Bauernhof „Wald“ war mehr als 500 Jahre in Familienbesitz, aber ohne männlichen Nachfolger konnte der Betrieb in seiner Ursprungsgröße nicht weitergeführt werden. Hinzu kamen andere berufliche Interessen der Erben, vor allem der Enkel. Benno König studierte Medizin und eröffnete 1958 im alten Elternhaus seine ersten Praxisräume. Seine Kinder Ortrud und Wolfram studierten ebenfalls Medizin und führen die Praxis Dres. med. König – Nadler weiter.  Prof. Dr. med. Benno König, Ehrenmitglied des HGV, rundete den Vortrag mit einer Anekdote im Finther Dialekt ab, bei der die Darstellung der sprachlichen Beschränkung auf das Wesentliche bei den Gästen ein leichtes Schmunzeln hervorrief.

Die Überleitung zur Büffet-Eröffnung schaffte Michael Geyer mühelos mit seinem „Lewwerworscht“- Song und spätestens beim „Wein von Mykonos“ stellte sich der Appetit ein. Und die Gäste wurden nicht enttäuscht. Das Büffet ließ keine Wünsche offen. In der bekannt exzellenten Qualität des Atrium Hotels konnte man neben einer großen Salatauswahl zu einem Fisch-, Fleisch- und einem Vegan-Gericht greifen.

Das absolute Highlight des Abends war dann der zweite Infoteil mit dem Vortrag der beiden Vertreter der Landwirtschaft, Markus Hochhaus und Stefan Pfeifer. Schon ihr Auftritt war bühnenreif – in dem „Wammes“ der Finther Bauern riefen sie sofort nostalgische Gefühle hervor. Erinnerte man sich doch an seine Jugend in Finthen, wo der „Wammes“ noch zur Standard-Kleidung gehörte. Den Übergang zur absoluten Moderne schafften sie mühelos: - In kleinen Videoclips wurden die vielfältigen Arbeiten im landwirtschaftlichen Bereich dargestellt: Die Bedeutung des Pflügens, der Spargelanbau oder die Züchtung von Kirschbäumen – zu allen Bereichen hatte Stefan Pfeifer einen sehr anschaulichen Film vorbereitet, der durchaus mit den Dokumentationen des Fernsehens mithalten konnte.

Von den Schwierigkeiten, mit denen die heutigen Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter zu kämpfen haben, berichtete Markus Hochhaus am eigenen Beispiel. Zur Zeit seines Großvaters war der Bauernhof ein reiner Familienbetrieb, bei dem die ganze Familie mithalf. Heute dagegen geht es ohne die zahlreichen Erntehelfer nicht mehr. Außerdem nehmen die administrativen Aufgaben viel Zeit in Anspruch, viele Vorgaben und Richtlinien müssen beachtet werden, ständige Weiterbildung ist ein Muss. Das Berufsbild und die Ausbildung des Bauern haben sich also absolut verändert. Ohne Meisterausbildung oder Studium ist ein landwirtschaftlicher Betrieb nicht zu leiten. Neben dem agronomischen Fachwissen sind betriebswirtschaftliches und technisches Verständnis unabdingbar. So hat sein Sohn Björn Hochhaus ein Studium zum Diplom-Ingenieur erfolgreich absolviert und leitet gemeinsam mit seinem Vater den Familienbetrieb.

Ähnliches kann Stefan Pfeifer berichten. Seine Tochter Theresa Pfeifer und ihr Mann Christoph sind ebenfalls Diplom-Ingenieure und sie führen gemeinsam den Betrieb, den Kastanienhof, weiter. Die Maxime beider Obsthöfe – wie übrigens auch aller anderen Höfe in Finthen – ist der respektvolle Umgang mit der Natur; umweltschonender Anbau ist seit Jahrzehnten selbstverständlich. Um größere Ernteausfälle zu vermeiden, müssen Pflanzenschutzmaßnahmen ergriffen werden. Aber im Gegensatz zu früher, als man vielfach noch in der Erprobungsphase war, werden diese Mittel heute sehr fein dosiert und selektiv eingesetzt. Der technische Fortschritt und die intensive Mechanisierung der Landwirtschaft führten dazu, dass der einzelne Landwirt wesentlich mehr Boden bewirtschaften kann. Und so brachte Markus Hochhaus eine Zahl ins Spiel, die großes Erstaunen hervorrief: Während ein Landwirt im Jahr 1900 im Durchschnitt vier Personen ernährte, waren es 1950 zehn und heute sind es 145 Personen, eine enorme Produktionssteigerung. Auch als Stefan Pfeifer nach der Zusammensetzung des Brotpreises fragte, mussten die Gäste passen: Während in den 1960er Jahren der Brotpreis sich zu etwa 60% aus dem Getreidepreis ergab, sind es heute im Wesentlichen die Energie- und Vertriebskosten, die den Preis bestimmen. Der Getreidepreis selbst macht nur noch 3,6 Prozent aus.

Zum Schluss kam ein kleiner Clip zum Einsatz, in dem die Landwirte mit Manpower und ihren Traktoren das Finther Gemeindeleben unterstützen: wie bei der Kirchplatzsanierung, bei der Gestaltung des Wegkreuzes am Hauweg, beim Finther Zug der Lebensfreude, bei der Feuerwehr und vielen anderen Gelegenheiten. Markus Hochhaus und Stefan Pfeifer sind Landwirte aus Leidenschaft und mit vollem Herzblut dabei. Sie sind stolz darauf, dass ihre Kinder auch unter den völlig veränderten Bedingungen die Familienbetriebe weiterführen.

„Und wir Finther Bürgerinnen und Bürger sind stolz darauf, solche Landwirte zu haben“, ergänzte Agnes Wintrich und bedankte sich ganz herzlich bei allen Mitwirkenden und natürlich bei den Gästen für ihr Kommen. Im Anschluss konnte man sich in aller Ruhe den Fotos widmen, die Kurt Merkator, Schriftführer und Archivar des HGV, in einer Bilderschau zusammengestellt hatte.  Agnes Wintrich

 

Zufriedene Gesichter nach der gelungenen Veranstaltung: Stefan Pfeifer, Markus Hochhaus, Agnes Wintrich, Kurt Merkator, Benno Kraft    Foto: Erna Becker

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